Ein Verein mit Tradition
Geschichte des Handelsvereins
Flensburg in den 20er und 30er Jahren des 19. Jahrhunderts – eine Zeit des Wandels: Die Wirtschaft wurde damals noch stark durch den transatlantischen Handel mit den westindischen Inseln geprägt. Noch heute verdankt ihm die Fördestadt ihren weit über die Grenzen Schleswig-Holsteins hinaus bekannten Ruf als „Rumstadt“. In den zahlreichen Zuckerfabriken, die seinerzeit das Stadtbild prägten sowie am Hafen herrschte geschäftiges Treiben. Wertvolle Rohstoffe aus Übersee wurde veredelt, während einheimische Waren auf Handelsschiffen ihren Weg nach St. Croix und St. Thomas antraten.
Die Geburtsstunde des Handelsvereins
Doch die napoleonischen Kriege und der Friedensschluss von Kiel im Jahr 1814 hatten die Lage der Kaufleute erheblich erschwert. Der dänische Staat musste den Reichsteil Norwegen an Schweden abtreten, was den Verlust des dortigen Flensburger Handelsmonopols mit sich brachte.
Umso mehr galt es, den Westindienhandel und die Versorgung des Umlandes, das zweite wichtige Standbein der Wirtschaft, auszubauen und gegen die Einflüsse der liberalen Wirtschaftspolitik zu schützen. Schließlich galt es zu verhindern, dass Flensburgs Kaufleuten Nachteile gegenüber der ausländischen Konkurrenz erwuchsen.
Dies, so waren sich alle einig, konnte am besten in Gestalt eines Zusammenschlusses sichergestellt werden. Und so wurde im Herbst 1831 ein Handelsverein gegründet. Als Zweck des Vereins wurde damals „Die Beförderung und mögliche Erweiterung der Handlung und Schifffahrt der Stadt und der damit in Verbindung stehenden Industrie- und Gewerbezweige sowie die mögliche Entfernung aller der Erreichung dieses Zweckes im Wege stehenden Hindernisse“ formuliert. 66 Kaufleute und Einzelhändler, damals noch Detaillisten genannt, traten dem neuen Zusammenschluss innerhalb kurzer Zeit bei.
Erste Aktivitäten
Auch wenn es noch fast elf Jahre dauern sollte, bis die dänische Regierung am 11. Mai 1842 das Statut bestätigte und den Handelsverein damit offiziell anerkannte, begann dieser unmittelbar mit seiner Arbeit. Das Engagement galt damals vor allem einer Beschleunigung des für den Überseehandel wichtigen Zollgesetzes sowie der Erstellung von Gutachten zu unterschiedlichen wirtschaftlichen Belangen. 1839 zählte der Handelsverein bereits 100 Mitglieder.
Schleswig-Holsteinische Erhebung und Spaltung
Die Schleswig-Holsteinische Erhebung von 1848 bis 1851 brachte einen einschneidenden Umbruch im Handelsverein mit sich. Schon in den Jahren zuvor war ein Teil der Mitglieder der dänischen, der andere mehr der deutschen Seite zugetan. Nun erforderte die politische Situation entsprechende Stellungnahmen. Bei der Vorstandswahl im Januar 1849 kam es letztlich zum Zerwürfnis, als die „deutsche Seite“ trotz knapper Mehrheit ihre Interessen in der Frage des Zollanschlusses nicht durchsetzen konnte. In der Folge gründeten ihre Anhänger den „Verein für Handel, Industrie und Schifffahrt“. Erst in den Fünfzigern kamen wieder alle Handelstreibenden im Handelsverein zusammen.
Die Weltwirtschaftskrise und ihre Folgen
Von der Weltwirtschaftskrise im Jahr 1857 blieb auch Flensburg nicht unberührt. Die Auswirkungen schwappten von Amerika nach England und schließlich nach Hamburg über. Da die Flensburger Wirtschaft seinerzeit stark von der Hansestadt abhängig war, hatte dies auch hier weitreichende Folgen. Nachdem die dänische Regierung eine Verordnung verweigerte, die Flensburger Firmen vor dem Konkurs hätte retten können, stiftete der Handelsverein im Dezember einen Garantiefonds. Der Wert: 200.000 Reichstaler. Für einige traditionelle Handelshäuser kam dennoch jede Rettung zu spät.
Beitritt zum Deutschen Handelstag
Nach der Eingliederung der Herzogtümer Schleswig und Holstein in das Preußische Reich galt es auch für die Wirtschaft, sich neu zu orientieren. In dieser schwierigen Situation konnten sich Vorstand und Mitglieder nicht auf eine gemeinsame Linie einigen. 1868 wurde schließlich der Beitritt des Handelsvereins Flensburg zum Deutschen Handelstag beschlossen. Sieben Jahre zuvor war die Spitzenorganisation aller deutschen Handelskammern und Kaufmannskorporationen entstanden. Der neue Zusammenschluss engagierte sich für eine deutschlandweite Zusammenarbeit in der Wirtschaft – eine wichtige Grundlage für die nationale Einigung des Landes.
Die Entstehung der Handelskammer und ihre Folgen
Bereits zwei Jahre später erfolgte der nächste große Wendepunkt: Im Juni 1870 beschloss die Regierung die Gründung einer Handelskammer. Noch im Dezember desselben Jahres fand die konstituierende Sitzung statt. Führende Vertreter des Handelsvereins wurden in den Vorsitz gewählt. So kann dieser in gewisser Weise als „Vorgänger“ der Handelskammer betrachtet werden. Nach einigen Jahren der guten Zusammenarbeit verlor der Handelsverein mehr und mehr an Bedeutung. 1873 entschied die Generalversammlung daher, zu neuen Ufern aufzubrechen. Und so rief man schließlich den „Stiftungsfonds für Bedürftige und deren Familie aus dem Handelsstande“ ins Leben. Dieser sicherte das Fortbestehen des Handelsvereins und unterstützte – wie sein Name sagt – in Not geratene Kaufleute – eine Aufgabe, die das Wirken des Vereins bis heute prägt.